Vermehrt kam es in letzter Zeit zu Rückrufen von Desogestrel-Produkten zur Schwangerschaftsverhütung. Der Rückruf fand allerdings nur auf Apothekerebene statt. Grund für mich, mich mit der Sache einmal genauer auseinanderzusetzen.
Ich bin zwar nicht persönlich von den Rückrufen der Pille betroffen, dennoch mache ich mir Gedanken, warum die Pharmaindustrie die Rückrufe nicht bis zum Verbraucher bringt. Im Laufe meiner Recherchen sind einige Fragen aufgetaucht. Die meisten konnten leider nicht beantwortet werden.
Doch was ist eigentlich genau passiert? Beginnen wir von vorn.
Rückruf verschiedener Antibabypillen und Verhütungspräparate
Bereits im Oktober berichtete ich von dem Rückruf der Antibabypillen Yvette, Tevanette und Damilla. Im Zuge dieses Rückrufs wurde auch das Verhütungspflaster Lisvy zurückbeordert. Jetzt tauchen neue Berichte auf, dass schon wieder eine Antibabypille nicht 100 Prozent in Ordnung ist. Diesmal sind Chargen des Produkts Seculact betroffen.
Als Grund geben die Hersteller Qualitätsprobleme an. Die kontrazeptive Wirkung soll bei allen Produkten nicht beeinträchtigt sein. Das heißt, verhütungstechnisch gibt es wohl keine Probleme mit den Pillen und Pflastern.
Keine Kommunikation mit der Presse
Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen und habe bei den im Oktober betroffenen Pharmaunternehmen eine Anfrage gestellt. Schließlich möchte ich meine Leser(innen) umfassend informieren und nicht irgendwelche Halbwahrheiten schreiben. Da zum damaligen Zeitpunkt auch andere rezeptpflichtige Medikamente zurückbeordert wurden, haben ich also insgesamt sieben verschiedene Pharmaunternehmen angeschrieben und nach genaueren Informationen beziehungsweise der Bestätigung für den Rückruf gefragt.
Was glauben Sie, wie viele Antworten ich bekommen haben? Ich verrate es Ihnen. Schriftliche Antworten kamen null zurück. Immerhin hat mich aber ein Unternehmen zurückgerufen und versucht meine Fragen zu beantworten. Richtig schlau bin ich da aber auch nicht geworden. So ein Verhalten gegenüber der Presse kenne ich von kaum einem anderen seriösen Unternehmen.
Warum wird der Endverbraucher nicht informiert?
Die für mich wichtigste Frage in der Angelegenheit ist, warum der Endverbraucher über den Rückruf nicht informiert wird und dieser nur auf Apothekerebene stattfindet. Bei Unternehmen im Lebensmittel-, Spielwaren- und Konsumgüterbereich werden die Verbraucher schließlich auch informiert. Zumindest gibt es eine Pressemeldung, auf die man sich als Journalist beziehen kann. Viele dieser Unternehmen machen den Rückruf auch auf der eigenen Webseite deutlich – mal mehr, mal weniger präsent.
Im Gegensatz dazu gibt es bei vielen Pharmaunternehmen diese Pressemitteilung nicht. Auf den Webseiten werden nur die Erfolge der Unternehmen in schillernden Farben publiziert. Von Rückrufen keine Spur.
Gehen wir noch einmal in den Lebensmittel-, Spielwaren- und Konsumgüterbereich zurück. Teilweise gibt es da Rückrufe, weil sich jemand beim Unternehmen gemeldet hat und etwas über eine Verunreinigung behauptet. Die Unternehmen fordern in der Regel das betroffene Produkt an. Meist reagieren sie dennoch sofort mit einem offiziellen Rückruf, um ihre Kunden zu schützen. Selbst wenn das entsprechende Produkt nicht an die Firma gesendet wird.
Wieder zurück bei den Pharmaunternehmen stellt sich mir die Frage: Wenn ein Produkt nicht zu 100 Prozent qualitativ in Ordnung ist, warum werden die Verbraucher dann nicht informiert? Entscheidet jetzt die Pharmaindustrie, ob die Qualitätsmängel für den Verbraucher hinnehmbar sind? Werden wir als Verbraucher durch die Pharmaindustrie unmündig gemacht? Ich möchte diese Fragen so im Raum stehen lassen und keine Meinung vorgeben. Bilden Sie sich selber Ihre eigene Meinung.
Warum wird die „Laienpresse“ an den Pranger gestellt?
Ich habe das Wort Laienpresse hier bewusst in Anführungszeichen geschrieben. Denn das Wort habe ich mir nicht ausgedacht. Es stammt aus einem Artikel der Deutschen Apotheker-Zeitung. Diese schreibt:
Vor einigen Wochen wurden drei mit Seculact wirkstoffgleiche Pillen, „Yvette Ratiopharm“ und „Tevanette“ sowie Chargen von „Diamilla“ von Puren Pharma, von den Herstellern zurückgerufen. Obwohl der Rückruf nur auf Apothekenebene stattfand und die kontrazeptive Wirkung laut Aussage der Hersteller nicht beeinträchtigt war, hatte die Laienpresse das Thema aufgegriffen.Auszug aus der Webseite der Deutschen Apotheker-Zeitung
Die Frage ist, warum die Deutsche Apotheker-Zeitung so darauf rumreitet? Schließlich ist es die „Laienpresse“, welche die Verbraucher über aktuelle Meldungen informiert. Was ist falsch daran, dass das Thema von verschiedenen Frauen- und Onlinemagazinen und schließlich auch uns aufgegriffen wurde? Wir wollten unsere Leser schließlich nur darüber informieren, dass da etwas nicht ganz in Ordnung ist.
Vermutlich ist es den Pharmaunternehmen nicht recht, dass die Medien darüber berichten. Befürchten diese eventuell einen Imageschaden? Ich persönlich finde ja, dass das Image der betroffenen Unternehmen mehr darunter leidet, wenn diese den Rückruf nicht transparent bis zum Verbraucher gestalten und sich auf Presseanfragen nicht zurückmelden.
Warum mauert die Pharmaindustrie?
Die vielen Widersprüche, Ungereimtheiten und nicht beantworteten Fragen hinterlassen bei mir ein mulmiges Gefühl. Kann ich denn Tabletten noch bedenkenlos einnehmen? Oder schade ich eher meiner Gesundheit? Und warum finden die Rückrufe im pharmazeutischen Bereich immer nur auf Apothekerebene statt? Soll hier etwas vertuscht werden? Stecken womöglich große Teile der Pharmaindustrie unter einer Decke und wollen den Verbraucher gar nicht informieren? Wie soll ich mich als Verbraucher denn jetzt verhalten?
Was stört mich am Verhalten der industriellen Pillendreher?
Mich beunruhigt weniger die Tatsache, dass Arzneimittel von Qualitätsmängeln betroffen sein können. Vielmehr beunruhigt mich, dass die Pharmakonzerne mich als Patienten, Verbraucher und Kunden nicht transparent und vollumfassend informieren.
Alles in allem bleiben am Ende ganz viele offene Fragen zurück. Diese können auch nur dann geklärt werden, wenn die Pharmaindustrie sich endlich bereit erklärt, Rückrufe nicht unter sich auszumachen, sondern die Verbraucher darüber zu informieren.
Was sagen Sie zu diesem Thema?
Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema? Sollten die Verbraucher informiert werden, wenn bestimmte Medikamente und Pillen zurückgerufen werden? Oder finden Sie es okay, wenn Sie Produkte einnehmen, die nicht zu 100 Prozent qualitativ in Ordnung sind? Diskutieren Sie mit anderen Lesern in den Kommentaren unter diesem Artikel.
Verdienen am Patient/ Kunden ist für die Pharmaindustrie oberstes Gebot. Umsatz steht vor information, aber dieses Spiel kann die Pharmaindustrie nur gewinnen. Leider ist unsere Gesundheit auch Abhängigkeit von der Pharmaindustrie. Traurig dass man damit spielt
Schön das dieses Thema mal aufgegriffen wird. Ich habe auch das letzte halbe Jahr eine betroffene Charge der Seculact eingenommen. Aber was bedeutet es denn nun? Welche Auswirkungen könnte es denn haben , diese „chemische Verunreinigung“? Ich bin nun erstmal auf das teurere Produkt die Cerazette umgestiegen. Schon sehr ärgerlich das man so im ungewissen bleibt wieso und warum nun genau solch ein Produkt vom Markt genommen wurde.
Hallo Tanja,
ich finde es auch recht merkwürdig, warum die Verbraucher über derartige Rückrufe nicht informiert werden. Dies scheint im Pharmaziebereich aber so üblich zu sein und betrifft nicht nur das Thema Antibabypillen und Verhütungspflaster. Leider sind wir bei unseren Recherchen auch nicht weiter gekommen. Das Unternehmen, mit welchem wir zum Rückruf gesprochen haben, hielt sich sehr bedeckt und berief sich darauf, dass die Verunreinigung keine Auswirkungen auf den Verbraucher hat.
Ich frage mich aber, warum die Artikel dann zurückgerufen werden?
Leider werden wir hier wohl nicht so schnell eine Auflösung bekommen.
Viele Grüße aus der Redaktion.