Gefahren für Jugendliche
Es ist schon für Sie mit über Jahrzehnte gewachsenem Misstrauen und Kenntnissen über typische Maschen nicht leicht, digitale Gefahren zu erkennen. Jugendliche sind erfahrener als Kinder. Deshalb fallen Sie eher nicht mehr auf Tricks wie den „reichen nigerianischen Prinzen“ herein. Dafür unterliegen sie anderen Gefahren, die Sie ebenfalls kennen sollten. Im Gegensatz zum ersten Teil werden Leser hier allerdings keine Lösungsansätze finden:
Es ist bei Jugendlichen schlicht kaum noch möglich, durch Sperrung von Webseiten und so weiter auf einfache Weise Sicherheit zu erlangen. Dazu sind die Teens von heute zu gewieft und umgehen Sperren schneller als Sie diese fachmännisch aufstellen können. Hier können Sie nur aufklären, beobachten und immer als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
Zu große Freigiebigkeit
Ab zwölf, dreizehn Jahren besitzen rund 90 Prozent aller deutschen Jugendlichen ein Smartphone. Was darauf geschieht, darauf haben Eltern keinerlei Einfluss mehr – auch weil Jugendliche ein Recht auf digitale Privatsphäre haben.Leider jedoch nehmen viele Teenager es mit „Privat“ nicht wirklich genau. Sie posten etwa auf sozialen Medien wie Instagram, Snapchat und YouTube unzählige Details ihres Lebens – die von Betrügern und Kriminellen problemlos zu einem aufschlussreicheren Gesamtbild zusammengefügt werden können.
Das führt vor allem dazu, dass peinliche Fotos, Videos, Posts und dergleichen sich oft noch Jahre später zu einem Bumerang entwickeln, der beispielsweise die Berufsfindung erschwert. Komplizierter wird es noch dadurch, dass viele Jugendliche nicht die, zugegeben häufig sehr komplexen, Sicherheitseinstellungen der Portale durcharbeiten. Diese würden die Zuschauergruppe für Posts eingrenzen.
Lesen Sie dazu auch:
- Facebook: Privatsphäre-Einstellungen richtig nutzen
- Instagram: Privates Konto einrichten – Anleitung
- Snapchat sicher nutzen – Ratgeber für den Messenger
Mobbing
Diese Daten-Freigiebigkeit ist häufig auch ein Risiko, wenn Jugendliche Hass und Häme im Netz zu spüren bekommen. Cybermobbing ist ein Problem, das mittlerweile im zweistelligen Prozentbereich bei den Jugendlichen liegt.
Was den digitalen Mob in Aufruhr versetzt, ist unterschiedlich. Es können wie beim YouTuber „Drachenlord“ unangepasste Ansichten sein. Häufiger ist es jedoch nur ein unbedarfter Kommentar, ein harmloses Foto. Schwerwiegend sind vor allem die Folgen für Jugendliche, weil das Mobbing:
- Sie in einem ihrer wichtigsten Lebensmittelpunkte trifft, der digitalen Welt.
- Meist anonyme und oft sehr zahlreiche Reaktionen aufruft.
- In der Regel ungleich aggressiver und verletzender ist, als in analogen Zeiten.
- Bei den Tätern kein echtes Unrechtsbewusstsein herrscht, weil sie die tatsächlichen Auswirkungen nicht selbst mitbekommen.
Sie haben hier nur die Möglichkeit, feine Antennen für das Verhalten Ihres Nachwuchses zu entwickeln – andere Möglichkeiten, Cybermobbing zu erkennen, gibt es kaum.
Wichtig: Cybermobbing führte bereits zu unzähligen schweren seelischen Schäden und Selbstmord(-versuchen). Nehmen Sie das Thema nicht auf die leichte Schulter!
Social-Vereinsamung
Es gibt keine Altersgruppe, die stärker auf sozialen Netzen präsent wäre, als die der 13- bis 18-Jährigen. Leider ist es jedoch auch die Generation, die am stärksten unter Depressionen und Vereinsamung leidet. Für viele Psychologen besteht darin ein Zusammenhang. Er wird so erklärt, dass:
- Die Social-Media-Posts auf viele Jugendliche so wirken, als bestünde das Leben anderer aus einer Abfolge aufregender Dinge, während sie selbst wenig Spannendes erlebten.
- Es dadurch ausgelöst enormen Druck gibt, selbst Neues, Spannendes beizutragen.
- Bestehende physisch-reale Freundschaften durch eine hohe Zahl an virtuellen Freundschaften ersetzt werden.
Das Ergebnis: Viele Jugendliche sind mit sich, ihrem Leben, ihrem sozialen Status und so weiter unzufrieden, weil sie durch die komprimierten Eindrücke der sozialen Netze glauben, alle anderen hätten ein aufregenderes Leben als sie selbst.
Urheberrechtsverletzungen
Dieser Punkt ist heute nicht mehr so prävalent wie in früheren Zeiten des Internets. Doch trotz der heutigen Flut an legalen Möglichkeiten, Musik, Filme und Co. zu konsumieren, sind viele Jugendliche nach wie vor und meist unbewusst nur wenige Schritte von eklatanten Urheberrechtsverletzungen entfernt.
Viel wurde darüber geschrieben, wie durch die neuen EU-Urheberschutzgesetze eigentlich unbedarfte User kriminalisiert werden. Aber so weit muss man nicht einmal gehen. Es genügt schon, fremde Fotos herunter- und irgendwo anders hochzuladen und der Rechtsverstoß ist vollzogen. Das ist vor allem insofern schwerwiegend, als dass Jugendliche meist die Keimzelle der Meme-Kultur sind, die ohne digitale Medien nicht funktionieren würde.
Ausnutzung
Hinter der Anonymität des Netzes verbirgt sich nicht nur Freiheit im positiven Sinn, sondern auch das Gegenteil. Damit steht hier das Risiko, dass Jugendliche ausgenutzt werden. Dies nicht einmal in wirklich krimineller Form. Aber auch Werbung, die explizit an Jugendliche gerichtet wird, fällt in gewisser Weise darunter.
(Politische) Einflussnahme
Jeder, der (noch) keinen gefestigten Charakter hat, ist leichter beeinflussbar. Eine seit langem bekannte Tatsache, die jedoch durch die digitalen Möglichkeiten eine neue Dimension bekommt.
Längst nutzen Parteien des politischen Randes, religiöse Extremisten etc. das Netz, um gezielt Jugendliche dort anzusprechen und mitzunehmen, wo Aufsichtspersonen oft nicht präsent sind und Eltern keinerlei Kontrolle ausüben können.
Wichtig: Auch hier helfen nur feine Antennen für Verhaltensänderungen des Nachwuchses, um solche Einflussnahme aufzudecken, bevor sie echte Schäden verursacht.
Datendiebstahl
Das Smartphone ist für viele Jugendliche weit mehr noch als das Universalgerät, das es vielen Erwachsenen wurde. Es stellt ohne Übertreibung einen echten Lebensmittelpunkt dar.
Das Problem liegt darin, dass hier zwischen Bezahlsystemen, E-Mail-Accounts, Passwörtern und dergleichen so viele Stränge einer menschlichen Identität zusammenlaufen. Durch simplen Verlust, mittelschweren Diebstahl oder komplexen Hack können enorme Schäden angerichtet werden.
Verkompliziert wird dies häufig dadurch, dass viele Jugendliche es mit den Grundregeln guten Datenschutzes nicht allzu genau nehmen – und beispielsweise Passwörter einfach im Handybrowser speichern.
Selbstgefährdendes Verhalten
In den 2000er Jahren berichteten weltweit erst Boulevard- und schließlich Nachrichtensendungen von einer alarmierenden Welle, von der überwiegend jugendliche Mädchen betroffen waren. Der „Trend“ nannte sich Pro-Ana bzw. Pro-Mia. Beides harmlos klingende Abkürzungen für Anorexia nervosa, also Magersucht und Bulimia nervosa, Ess-Brechsucht.
Dies war das erste Mal, dass im Internet ein Phänomen auftauchte, welches für die „Mitmachenden“ ein enormes Potenzial zur Selbstschädigung beinhaltete. Bereits damals zeigte sich ein zentrales Problem der Kombination von jugendlicher Zielgruppe und Internet: Es fand eine gegenseitige Beeinflussung unter Ausschluss warnender Instanzen statt.
Eltern blieben außen vor, die Mädchen pushten sich gegenseitig durch Fotos, Wiege-Ergebnisse in einem enormen Gruppendruck gegenüber denjenigen, die nicht das Ziel der maximalen Abmagerung mit Stringenz verfolgten.
Leider hat sich seit damals nicht viel geändert. Nach wie vor gibt es unzählige Seiten und Gruppierungen, die Jugendliche auf der Suche nach einer eigenen Identität anziehen und in denen sie ohne Kontrollmöglichkeiten einer wie auch immer gearteten Idee frönen können.
Das Perfide daran ist, dass es hier vielfach keine verantwortliche Stelle gibt, die man belangen könnte. Ähnlich wie beim Cybermobbing sind es meistens Jugendliche und junge Erwachsene selbst, welche sich auf Suche nach Anerkennung, Schönheit oder Ruhm gegenseitig antreiben.
Zwar ist es lobenswert, dass YouTube mittlerweile gefährliche Challenges und dergleichen rigoros entfernt. Doch das Netz bietet abseits davon zahllose weitere Möglichkeiten.
Pornographie/Gewalt
Es gibt ein Meme von einer Seite, die schon von diversen Journalisten mit dem Wort Dreckschleuder bezeichnet wurde, 4chan, der „hässliche Hinterhof des Internets“.
What is the biggest Lie on the Internet? „Yes, I’m over 18“
(Was ist die größte Lüge im Internet? „Ja, ich bin über 18“)
Tatsächlich stimmt die Wahrheit dieses „Witzes“ absolut. Denn ein einfacher Klick auf den Button „Ja, ich bin über 18“ ist bei praktisch allen Inhalten, die Volljährigen vorbehalten sind, der einzige Schutz davor, durch Jugendliche freigeschaltet zu werden.
Einmal abgesehen davon, dass 4chan selbst auf ähnliche Weise Minderjährigen den Zugang „verwehrt“, ist es heute eine Tatsache, dass es in den westlichen Ländern kaum noch Jugendliche gibt, die nicht im Netz mit explizit erwachsenen Inhalten in Kontakt kamen.
Pornographie ist dabei der wohl schwerwiegendste Faktor, der auch deshalb interessant (und gefährlich) ist, weil Jugendliche in diesem Alter ihre Sexualität entdecken und durch die unzähligen Clips und Bilder vollkommen falsche Vorstellungen von Sex und oft genug enorme Minderwertigkeitskomplexe bekommen.
Hinzu kommt auch Gewalt. Keine Hollywood-Gewalt mit klar erkennbaren Special-Effekts, sondern blutrünstige Schlägereien oder Gang-Schießereien, oder Berichte aus Kriegsgebieten. Solche Videos üben nicht nur auf viele Jugendliche enormen Reiz aus, sondern richten in deren Seelenleben auch ein Chaos an, stumpfen ab und wirken gleichzeitig wie eine Droge.
Fazit
Ein altes Sprichwort besagt „Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen“. Beim Thema Internet stimmt es verblüffend häufig. Denn je älter Kids werden, desto multipler werden nicht nur die Gefahren, sondern umso verwirrender (aus Elternsicht) auch die vielfältigen Nutzungsweisen.
Die Gefahren zu kennen, kann aber nur ein Weg sein. Dahinter muss ein Fundament aus einer guten, vertrauensvollen Eltern-Kind-Beziehung stecken, um das Risiko zu minimieren, überhaupt helfen zu müssen.
Deutschland: Nummer gegen Kummer Elterntelefon (anonym & kostenlos)
Auch Eltern haben die Möglichkeit sich zu dem Thema Suizid Gedanken bei Kindern beraten zu lassen. Denn gerade bei so einem heiklen Thema ist es fraglich, ob der Rat von anderen Eltern immer der Sinnvollste ist. Unter 0800 111 0 550 können sich Eltern beraten lassen. Das Telefon ist montags bis freitags von 9:00 Uhr bis 11 Uhr und dienstags und donnerstags von 17:00 Uhr bis 19 Uhr besetzt.
Deutschland: Die Telefonseelsorge ist für alle da (kostenlos und anonym)
Unter den kostenlosen Telefonnummern 0800 111 0 111, 0800 111 0 222 und 116 123 finden Sie ebenfalls ein offenes Ohr, auch bei Suizid-Gedanken. Wer nicht reden möchte, kann sich unter telefonseelsorge.de auch per E-Mail oder Chat beraten lassen.
Österreich: Rat auf Draht (kostenlos und anonym)
In Österreich können Kinder, Jugendliche und Eltern unter der Telefonnummer 147, die ohne Vorwahl erreichbar ist, rund um die Uhr eine kostenlose Telefonberatung erhalten. Wer lieber schreibt, kann sich per E-Mail oder via Chat mit Fachkräften austauschen. Im Internet finden Sie den Rat auf Draht unter rataufdraht.at.
Schweiz: Pro Juventute hilft Kindern und Jugendlichen
In der Schweiz ist das Kinder- und Jugendtelefon ebenfalls unter der Telefonnummer 147 erreichbar. Die Rufnummer ist rund um die Uhr zum Nulltarif geschaltet. Wahlweise ist auch eine Beratung via SMS, Chat oder E-Mail möglich. Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Webseite projuventute.ch. Die Elternberatung ist innerhalb der Schweiz unter 058 261 61 61 zu normalen Telefongebühren erreichbar.